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Monica Lierhaus und die glücklichen Zombies.

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Vor ein paar Monaten habe ich hier im Blog Nostradamus gespielt und Vorraussagen getroffen, dass wir mal als glückliche Zombies enden, weil wir selbst nach einer Apokalypse immer noch lächelnd durch die Straßen ziehen und uns nicht eingestehen, dass so ein Weltuntergang vor allem eines ist: richtig blöd! Als ich das geschrieben habe, war mir aber zwei Dinge gar nicht bewusst: 1. Wie nah wir schon an dieser Apokalypse dran sind. 2. dass ausgerechnet Monica Lierhaus uns retten könnte.

ein lächelndes Ei und ein weinendes Ei, das sich hinter einen lächelden Smiley versteckt

wollen wir in einer Welt leben, in der alle ihre Gefühle verstecken?
Bild: cc by pdpics.com

Aber nochmal von vorne: Monica Lierhaus ist eine bekannte Sportmoderatorin, die 2009 an einem Gehirngerinsel operiert wurde und daraufhin ins Koma fiel. Sie erwachte zwar wieder, trug aber so schwere Hirnschädigungen davon, dass sie alle Bewegungsabläufe wie Sprechen und Laufen wieder neu lernen musste und bis heute noch nicht wieder 100% beherrscht. Vor einigen Tagen gab sie ein Interview, indem sie sagte, dass sie die Operation am Gehirn nicht nochmal machen lassen würde, auch wenn das bedeutet, dass sie sterben würde.

Seit dem Interview geht ein riesiger Aufschrei durch die Behindertenszene, es wird sogar von Super-Gau geredet und Frau Lierhaus muss sich des Hochverrats angeklagt sehen.

ich versuche seit Tagen zu verstehen, worin dieser Super-Gau liegen soll, aber bisher bin ich noch nicht sehr erfolgreich gewesen.

Respekt und Mitgefühl

Ich sehe als erstes eine mutige Frau, die ein echt schlimmes Schicksal hat, scheinbar nicht so recht damit fertig wird, aber fähig ist, darüber zu sprechen. Jeder, der schon mal mit irgendwas nicht fertig geworden ist,  weiss wie schwierig es ist, darüber zu sprechen, weil man sich damit auch selbst eingesteht, dass man eben nicht so stark ist wie man gerne sein würde – oder wie es vielleicht auch von einem erwartet wird.   Aus diesem Grund hat Monica Lierhaus als erstes meinen Respekt. Als zweites hat sie mein Mitgefühl, denn wie schlecht muss sie sich fühlen, wenn sie mit dem Wissen von heute eine andere Entscheidung treffen würde und damit ihren Tod im Kauf nehmen würde. Ich empfinde für alle Menschen Mitgefühl, die den Tod als ernsthafte Alternative zum Leben betrachten, weil ich weiß, dass es ein langer, schmerzhafter Weg bis zu dieser Ansicht ist.   Respekt und Mitgefühl, aber eines fühle ich nicht: Verrat, weder an meinen Leben als Frau mit Behinderung, noch an meiner Arbeit als Inklusionsbloggerin.

Wenig Toleranz und Vertrauen

Ja, Frau Lierhaus ist berühmt und viele Menschen werden ihre Aussagen lesen, aber das ist allenfalls ihr Problem und nicht meines, weil sie eben auch nur über ihr Leben spricht und nicht über meines. Natürlich wird es wieder einzelne Menschen geben, die dies nicht differenzieren können. Aber mal Hand auf Herz: Leben wir es ihnen nicht gerade genauso vor? Ist dieser Hochverratvorwuf nicht der gleiche Versuch, uns alle gleich machen zu wollen, obwohl wir eigene Persönlichkeiten mit eigenen Gefühlswelten  haben? ich finde es mehr als tieftraurig, dass gerade wir als “ Behinderten-Szene“, die als erstes für gesellschaftliche Vielfalt kämpfen sollte, so wenig Toleranz untereinander haben. Aber wir haben nicht nur wenig Toleranz, sondern auch äußerst wenig Vertrauen in unsere jahrelange Arbeit, wenn wir wirklich denken, dass so ein Interview einer einzigen Person uns alles kaputt machen kann.  Ich hoffe und denke, dass wir alle  genug positive Beispiele öffentlich gemacht haben, dass wir und die Gesellschaft auch die andere Seite aushalten können.

Natürlich können wir uns jetzt nicht darauf ausruhen.  Wir müssen weiterhin Vorurteile abbauen und immer wieder zeigen, dass ein Leben mit Behinderung kein Weltuntergang ist. Aber wir dürfen auch keine lächelden Zombies werden, die über andere Leben und Gefühle urteilen und sie am liebsten nicht wahrhaben wollen.

Inklusion ist eben auch, wenn der eine lacht und der andere weint, ohne dass sich irgendeiner dafür schlecht fühlt.

Der Beitrag Monica Lierhaus und die glücklichen Zombies. erschien zuerst auf Rollifräulein.


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